Unverbindliche Erinnerungen

adminBuchtipps, Gedanken, Universtiät Leave a Comment

Dieser Artikel wurde am 20. April 2008 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!
[amazonify]3852564018:left:image::200px:200px::http://skopal.cc/wp-content/2008/04/41takazsxl_ss500_.jpg[/amazonify]

Ich habe das Glück gehabt, Ernst von Glasersfeld ein zweites Mal in meinem Leben gehört zu haben. Anfang April war er, der jetzt einundneunzigjährige, wieder in Wien, bekam das Ehrenkreuz für Wissenschaft von Bundespräsident Fischer überreicht und las am darauf folgenden Tag im Rahmen der Wiener Vorlesungen im wunderbaren Saal des Billroth-Hauses aus seiner eben erschienenen Biografie “Unverbindliche Erinnerungen”.

Ich war früh dort, erst wenige Leute waren da, erste Plätze waren mit Mäntel und Jacken reserviert worden. Nach und nach kamen mehr Leute, irgendwann war unten alles voll, ich besorgte mir noch das Buch unten am Verkaufsstand, der inzwischen aufgebaut worden war, und wartete. Irgendwann war Glasersfeld in den Saal gekommen, hat sich hingesetzt, immer umschwärmt von Kümmerern, die den alten Meister nicht aus den Augen lassen wollten. Irgendwann wurde er wieder hinausgeführt (abgeführt wollte ich sagen), aber immer liebenswürdig. Noch mehr Leute kamen, dann war die Galerie voll, und dann standen die Leute bis hinaus an den Gang.

Einleitende Worte wurden gesprochen, noch mehr einleitende Worte, diesmal kürzer, wurden angehängt, mit dem Hinweis auf das inzwischen schlechte Gehör von Glasersfeld, so dass eine Diskussion leider nicht möglich wäre im Anschluss an den Vortrag.

Seine Stimme in dem noch immer wundervollen Prager Deutsch war unsicherer als noch vor 5 Jahren. Seine Texte waren brillant wie immer. Wie er von einer mathematischen Theorie über das Kratzen seines Armes in finsterer Nacht auf den Konstruktivismus schwenkt. Wie er von Erzählung über alltägliche Betrachtung zu theoretischer Vertiefung gelangt, geschieht in Augenblicken, ohne Ansatz und Hinweis. Aber immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Seine Erzählung von der Begegnung mit dem späteren irischen Präsidenten Erskine Childers, der ihm, dem Neuankömmling in Dublin, zu Arbeit und angeregten Abendgesprächen verhalf, zog mich genauso in seinen Bann.

Ich weiß noch nicht, wie die Texte wirken, wenn man sie liest, und nicht vorgelesen bekommt. Aber ich bin kein objektiver Leser mehr, seine Stimme wird immer mitklingen, wenn ich einen Text von ihm lesen werde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert