Europa – und dann?

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Dieser Artikel wurde am 22. April 2005 veröffentlicht
und ist möglicherweise nicht mehr aktuell!

Vor einiger Zeit sagte der Wiener Erzbischof, Kardinal Schönborn, der vor kurzem auch als papabile gehandelt wurde, ein paar ausgesprochen interessante Sachen zum Thema Europa und seine vorausgesehene Entwicklung, die gerade durch eine angenommene und in einigen Punkten auch festgestellte Änderung in der Bevölkerungsstruktur der Länder seine Ursachen findet. Insbesondere sind daran auch kulturelle Änderungen und Entwicklungen geknüpft, die vor allem durch die europäischen Zuwanderer geprägt werden. Das alte Europa, wie es auch Susan Sontag in ihrem Essay The Idea of Europe (One more Elegy) konstatiert, ist eine aussterbende Geisteshaltung, eine aussterbende Kultur. Nicht jene kleinbürgerlichen, lokalen Kulturphänomene sondern jene europäische Verfeinerung und Unabhängigkeit, die Künstler, Literaten und Freidenker geprägt haben, wie sie zum Beispiel um die Jahrhundertwende 19/20 Jhdt. in Wien existiert haben.
Strömungen und Einflüsse verkommen im allgemeinen Durcheinander der konkurrierenden Richtungen, so dass sich auch keine selbst beeinflussenden Zirkel bilden können, gerade jene, die sich gegenseitig zu immer höheren Leistungen aufstacheln. Sontag spricht auch davon, dass Europa den Kontakt zu seinen kulturellen Wurzeln verliert. Dass die einzelnen regionalen Unterschiede immer unbedeutender werden, die allerdings ein europäisches Spezifikum waren.
Auf den Gedanken hat mich eben jener Artikel gebracht, dass “Europa,” wie Schönborn meint, “Abschied von einem Weiterleben in der nächsten Generation genommen” hat. In weiterer Folge spricht er auch von einer “europäischen Geburtenverweigerung,” und einem damit enorm steigenden “Immigrationsdruck.”
Ausgesprochen interessante Aussagen. Die Kirche muss hier natürlich einen gewissen Standpunkt einnehmen, der im Zuge einer, auch in Österreich festzustellenden, zunehmenden Säkularisierung – welche hier allerdings bei weitem nicht so weit gediegen ist wie in Frankreich zum Beispiel – auch zunehmend deutlicher formuliert wird. Die Kirche nimmt hier gern einen konservativen Standpunkt ein, der sich allerdings gerade mit anderen Interessen, wie ein ausgeglicheneres Lonhniveau, nicht vereinbaren lässt. Die Einkommensschere wird angeprangert, aber durch die Identifikation mit den Mächtigen wird es hier wohl von Kirchenseite nie zu einer Änderung kommen. Die Kirche hat schon sehr lange in Europa nicht mehr zu einer Änderung der Herrschaftsverhältnisse beigetragen. Einen sozialistischen Gedanken zu Ende geführt hat sie, denke ich, auch noch nie, aber ich lasse mich in diesem Fall gerne eines besseren belehren.
Zurück zum eigentlichen Problem. Wenn die Bevölkerung Europas sich zunehmend der Reproduktion verweigert, kommt es zwangsläufig zu einer Verringerung der Produktionskraft eines Landes, da die Bevölkerung abnimmt, ebenso kommt es zu einem Bedarf in der Wirtschaft, der Einwanderer ins Land zieht. Man könnte weiter denken, ob ein solcher Verlust von Produktionskraft tatsächlich etwas tragisches wäre, etwas, dass eine Gesellschaft nicht verschmerzen könnte. Darüber habe ich noch nie etwas gelesen. Stattdessen versucht die Wirtschaft ein stetiges Wachstum zu erreichen, welches im Moment sowieso an einem Totpunkt angelangt ist. Zumindest in nationalem Rahmen. Warum? Darüber kann man, wenn auch gut, spekulieren. Man kann ausgesprochen viele Bereiche in den Verantwortungsbereich ziehen.
Mit welchem Ziel?
Ist noch immer als Ziel einer idealen Gesellschaft von der Wirtschaft ein Paradies angestrebt, welches Huxley in Brave New World beschrieben hat und er das einzig kritisch denkende Wesen hat sterben lassen, weil alle andere nicht einmal mehr in der Lage waren, einen solchen Gedanken zu fassen?

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